„Denn eins ist sicher: Die Rente“.

20.02.2017

Kennen Sie ihn noch, den Werbespruch Norbert Blüms aus dem Jahr 1986? Dieser sollte – später abgewandelt in den Spruch: „Die Rente ist sicher“ - ein geflügeltes Wort des ehemaligen Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung werden. 30 Jahre sind seitdem vergangen, in denen man mittlerweile aus juristischer Sicht gesehen das Gefühl hat, zur „Sicherheit der Rente“ lasse sich das Bundessozialgericht immer wieder neue Wege einfallen, den Kreis der rentenversicherungspflichtigen Einzahler, insbesondere im Hinblick auf Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbHs zu vergrößern.

Grundsätzlich ist es ja keine schlechte Sache, dass die Rentenlast auf vielen Schultern getragen wird, damit auch der Ausspruch Norbert Blüms noch lange seine Gültigkeit hat. Allerdings sorgt die ständige Verschärfung in der Rechtsprechung bei vielen, die sich zunächst als selbständig tätig eingestuft und damit nicht rentenversicherungspflichtig privat um ihre Altersvorsorge bemüht hatten, für Herzrasen. Denn ad hoc müssen sie – eventuell rückwirkend – in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, können andererseits nicht ihre bestehenden Versorgungsverträge kündigen oder beitragsfrei stellen und sehen sich so zumindest zeitweise einer Doppelbelastung ausgesetzt.

Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung früher grundsätzlich rentenversicherungspflichtig

Gerade für geschäftsführender Gesellschafter von zweigliedrigen und familiengeführten GmbHs und solchen, die einen Anteil von weniger als 50 % des Stammkapitals hielten, bedeutete dies in den vergangenen Jahren eine stetige Achterbahnfahrt. Die Kernfrage der Rentenversicherungspflicht war immer, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer als selbständig Tätiger einzustufen war. Hierzu reichte es in der Vergangenheit aus, wenn er Zeit, Dauer, Art und Ort seiner Arbeitsleistung im Wesentlichen frei bestimmen konnte und auch sonst keinen weiteren Weisungen des Arbeitgebers unterworfen war. In den folgenden Jahren wurde dies als nicht mehr präzise genug angesehen. Eine selbständige Tätigkeit könne sich – so das Bundessozialgericht – nur bei dem zusätzlichen Vorhandensein der Merkmale einer eigenen Betriebsstätte und dem Tragen des sogenannten Unternehmerrisikos zeigen. Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt nach der Ansicht des Bundessozialgerichts davon ab, welche Merkmale überwiegen. Geschäftsführende Gesellschafter mit einer Beteiligung von weniger als 50 % Anteil am Stammkapital waren per se als Angestellte einzustufen, denn selbst wenn dieser die Kriterien der freibestimmten Arbeitsleistung erfüllte, verwies das Bundessozialgericht darauf, dass er die Geschicke des Unternehmens mit einer Minderheitsbeteiligung nicht wesentlich beeinflussen könne und damit nicht unternehmerisch tätig sei. Solches spräche grundsätzlich gegen eine selbständige Tätigkeit.

Neue Rechtsprechung aus Reutlingen wagt Vorstoß

Jetzt hat das Sozialgericht Reutlingen in seinem Beschluss vom 28.6. letzten Jahres (Aktenzeichen S 8 R 1775/14) einen aus hiesiger Sicht sensationellen Vorstoß gewagt: im Streitfall hielt der Kläger, ein Gesellschaftergeschäftsführer einer aus 3 Gesellschaftern bestehenden GmbH, einen Anteil am Stammkapital von 24 %. Als sogenannter Minderheitsgesellschafter erfüllt er also schon nicht die Kriterien des Bundessozialgerichtes zur Rentenversicherungsfreiheit, sondern war rentenversicherungspflichtig. Er klagte und verwies u.a. darauf, dass in der Satzung der Gesellschaft verankert sei, dass „Gesellschafter, die zum Geschäftsführer bestellt sind, in jedem Falle zustimmen müssen, wenn Beschlüsse über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, über … die Änderung und Kündigung von Anstellungsverträgen, sofern die betreffenden Personen Gesellschafter sind, gefasst werden sollen.“ Vereinfacht heißt das, dass er immer zustimmen muss, wenn Änderungen seiner Rechte oder seiner Stellung als Geschäftsführer beschlossen werden sollen. Hiermit, so das Sozialgericht, könne er doch wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sei trotz seiner Minderheitsbeteiligung als selbständig Beschäftigter im Sinne des Rentenversicherungsrechtes anzusehen.

Es bleibt abzuwarten, ob die folgenden Instanzen der Ansicht des Sozialgerichtes Reutlingen folgen. Mit Blick auf den Stand der Rentenkassen erscheint dies aber eher unwahrscheinlich.